In Sachen Digitalisierung hat sich in der Life-Science-Branche seit Frühjahr 2020 viel getan, was ohne eine globale Pandemie höchstwahrscheinlich Jahre gedauert hätte: Die Schließung vieler Einrichtungen und Social-Distancing-Regelungen haben eine beschleunigte Einführung und den Wunsch nach digitalen Lösungen zur Folge gehabt, wie u.a. Telehealth-Konzepte oder Remote Patient Monitoring. Dabei zeigt sich viel Optimierungsbedarf, wie eine Befragung zum Stand der Digitalisierung im europäischen Gesundheitssystem von Deloitte zeigt:
Etwa 65 Prozent des befragten Personals gab an, dass ihre Organisation den Einsatz digitaler Technologien erhöht hat, um ihre Arbeitsweise zu unterstützen und den Zugang zu den Patienten zu erleichtern.
Von den Ärzten gaben etwa drei Viertel an, dass ihre Organisation den Einsatz digitaler Technologien erhöht hat.
Die Akzeptanz von Technologie zur Veränderung der Arbeitsweise schwankt jedoch stark innerhalb Europas Healthcare-Industrie. Während in Norwegen bereits 83,6 Prozent digitale Lösungen bejahen, sind es in Deutschland derzeit nur 39,6 Prozent.
Vier Anforderungen der MDR: Gründe für die Digitalisierung
Wer bemerkt, dass der digitale Fortschritt ins Stocken geraten ist, kann im Rahmen der MDR aufholen. Die neue Regulierung soll dazu beitragen, dass die Qualität aller Medizinprodukte, die in der EU zum Einsatz kommen, auf dem Niveau der Besten ist, und etabliert gleiche Regeln für alle. Dies bringt Änderungen in Bezug auf die Rückverfolgbarkeit von Qualität, Leistung und Sicherheit der Medizinprodukte mit sich. Sie sorgt aber auch dafür, dass analoge Prozesse möglichst der Vergangenheit angehören – zu hoch ist deren Fehleranfälligkeit. Vier Änderungen der MDR treiben die Digitalisierung:
In der Erweiterung des Produktumfangs wird die Definition von Medizinprodukten und aktiven implantierbaren Medizinprodukten, die unter die MDR fallen, erheblich erweitert. Künftig müssen so mehr Produkte erfasst werden und mehr Unternehmen fallen unter die MDR, die vorher nicht betroffen waren.
Zur Implementierung einer eindeutigen Produktidentifikation schreibt die MDR die Verwendung von UDI-Mechanismen (Unique Device Identification) vor. Damit soll die Fähigkeit von Herstellern und Behörden erhöht werden, bestimmte Produkte durch die Lieferkette zu verfolgen und den schnellen und effizienten Rückruf von Medizinprodukten zu erleichtern, bei denen ein Sicherheitsrisiko festgestellt wurde. Der Aufwand, um Rückschlüsse zu ziehen, wird damit zunehmen.
Die MDR fordert eine strenge klinische Überwachung nach dem Inverkehrbringen durch die benannte Stelle. Um Risiken durch unsichere Produkte zu reduzieren, werden unangekündigte Audits, Produktmusterprüfungen und Produkttests durchgeführt. Auch jährliche Sicherheits- und Leistungsberichte von Produktherstellern werden in vielen Fällen erforderlich sein.
Es gibt kein „Grandfathering“, denn alle derzeit mit CE gekennzeichneten Medizinprodukte müssen gemäß den neuen Anforderungen erneut CE-zertifiziert werden. Ausnahmeregelungen werden zwar noch verhandelt, doch Stand jetzt müssen alle Produkte noch einmal bearbeitet werden.
Herausforderung vs. Chance – Folgen der MDR
Mehr Produkte, die berücksichtigt werden müssen, strengere Dokumentationspflicht, detaillierte Nachverfolgbarkeit und der Anspruch, jedes bereits erfasste Produkt nochmal zu zertifizieren. Analoge Prozesse oder Lösungen in Excel stellen vor dem Hintergrund der neuen Anforderungen eine echte Hürde dar – spätestens, wenn ein unangekündigtes Audit erfolgt. Es reicht nicht mehr aus, Prozesse und Dokumentation rund um die Zulassung und Qualitätssicherung auf Papier zu verwalten. Auch komplett voneinander getrennte Datenspeicher führen zu schwer kontrollierenden Datensilos. Und bestehende Lösungen, wie beispielsweise Teilelisten in SAP, Kunden- und Lieferanteninformationen in CRMs sowie Produktinformationssysteme (PIMS), werden den Anforderungen nur in Ansätzen gerecht.
Die Lösung: Automatisierung und Digitalisierung
Um aber bestmögliche Synergien zu schaffen und auf bestehenden Lösungen aufzubauen, bietet es sich an, ein zentrales System zu schaffen. In ein solch offenes System lassen sich bestehende Lösungen und Daten einbinden. Alle notwendigen Informationen verschiedener Abteilungen und Stakeholder sind an einem Ort abrufbar. Unternehmen können darüber Lieferanten managen, Aufgaben anlegen und koordinieren, Marketing und Produktdaten einfügen sowie Zugänge Informationen individuell für verschiedene Stakeholder bereitstellen, damit diese genau für sie relevante Services und Informationen verwenden können. Dabei geht es um das Management und die Orchestrierung der betreffenden Prozesse auf einer Plattform und nicht darum, eine weitere Datenablage zu schaffen. Durch die Automatisierung und Digitalisierung der Geschäftsprozesse entfallen Hürden mit Blick auf die MDR und gleichzeitig sparen Unternehmen mittel- und langfristig Kosten und minimieren Risiken für Imageschäden.
Mit agilem Projektdesign zu Produkten mit Mehrwert
Wer nun denkt, dass die Implementierung digitaler Lösung ein Mammut-Projekt ungeahnten Ausmaßes ist, irrt sich. Letztlich geht es darum, die Kundenbedürfnisse genau zu analysieren und eine individuelle Lösung aufzusetzen. Die Anforderungen, die die Vorgaben der MDR dabei stellen sowie der zeitliche Horizont ermöglichen ein iteratives Vorgehen. Dabei kann zum Beispiel mit einem Teilprojekt oder einer bestimmten Produktgruppe begonnen werden, bevor die Lösung auf das gesamte Portfolio ausgerollt wird. Bei Mimacom wird gemäß eines agilen Projektdesigns gearbeitet und Produkte nach dem Human-Centered-Design-Ansatz entwickelt. Sprich: Das Unternehmen stellt den Anwender mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt und erarbeiten Schritt für Schritt anhand von User Stories und Feedback ein passendes Produkt. Das Ergebnis: Planungs- und Investitionssicherheit während des gesamten Projekts.
Das Digital Accelerator Program von Mimacom verfolgt einen Entwicklungsansatz, der aktuelle und zukünftige Anforderungen adressiert.
Im Zentrum des Ansatzes, dem Digital Accelerator Program, stehen das Verständnis und die Planung des Projektes (Learning). Ziel ist es, jeweils genau die Aspekte zu schärfen, die relevant für die Gesamtlösung sind. Um den ersten Schritt hin zu einer tragfähigen Lösung zu machen, müssen zunächst technische und inhaltliche Kundenbedürfnisse verstanden werden (Understand). Dafür erfasst Mimacom die Anforderungen systematisch. Auf dieser Basis können Ideen zur optimalen Lösung entstehen (Ideate). Im gesamten Prozess wird gemeinsam mit den Kunden gearbeitet und in der nächsten Phase daher gemeinsam den ersten Prototyp entwickelt, basierend auf den bisher gewonnenen Erkenntnissen. Tests zeigen früh, ob ein Produkt die geforderten Ergebnisse liefert. Damit erhält der Software-Experte Marktfeedback und Akzeptanzkriterien. Wenn Anforderungen von Nutzern und Business übereinstimmen sowie die zentralen Designs erstellt sind, beginnt die iterative Implementierung (Develop).
Dank dieses Vorgehens entsteht innerhalb kürzester Zeit ein erstes Produkt (MVP), das anschließend mittels weiterer Wiederholungen optimiert wird. So kann in wenigen Wochen und mit kleinem Investment ein erstes Produkt entstehen, welches je nach Feedback und Budgetierung kontinuierlich verbessert wird. Die Nutzerakzeptanz entscheidet letztlich darüber, ob die Produkte bereits nach der ersten Schleife erfolgreich sind oder Optimierungsbedarf besteht. Am Ende steht in jedem Fall, nach eigenen Angaben, ein Produkt mit höchster Usability und ausgezeichneter User Experience.
Tim Weinmann
Tim ist unser CRO für Mimacom Global mit Sitz in den USA. Als leidenschaftliche Führungskraft legt er seinen Fokus auf den Bereich Vertrieb und Marketing.